
Vor kurzem wurde Adebayo Akinfenwa in London von der Polizei angehalten. Der Polizist fragte ihn nach seinem Beruf. Akinfenwa antwortete wahrheitsgemäß: „I’m a footballer.“ Der Beamte sagte: „Ich liebe Football. Der Super Bowl war klasse.“ Akinfenwa konterte: „Nein, ich bin Fußballer. Ich spiele in der vierten Liga.“ Der Polizist sagte: „Fußballer? Dafür sind Sie doch viel zu schwer.“
1,80 Meter und 108 Kilo
Zu schwer zum Fußballspielen! Diesen Satz hat er sich in seiner Karriere schon oft anhören müssen. Deshalb vorab ein paar Fakten: Saheed Adebayo Akinfenwa, Sohn nigerianischer Eltern, geboren im London, misst 1,80 Meter und wiegt 108 Kilo. Wahrlich keine Idealmaße für einen Profi. Seine Erscheinung polarisiert. „Das Biest“ nennen ihn seine Fans, „Fettsack“ rufen die Gegner. Oder sie singen: „Who ate all the pies?“ Wer hat die Kuchen aufgegessen?
„Mir hat mal jemand erklärt, dass man im Fernsehen immer etwas dicker aussieht. Darauf berufe ich mich“, sagt er und lacht. Er ist nicht fett, vielmehr ein einziger Muskel. Die Macher der Computerspielreihe Fifa ernannten ihn jüngst zum stärksten Fußballer der Welt. Eine britische Zeitung ermittelte, dass seine Oberarme einen größeren Umfang haben als die Oberschenkel von Chelsea-Verteidiger John Terry.
» Das Interview mit Akinfewa
„Wenn die Fans ihre Späße über mich machen, muss ich lachen. Das motiviert mich“, sagt er. „Und wenn sie eines Tages nicht mehr über mich singen würden, hätte ich auch etwas falsch gemacht.“ Nach 110 Toren in 315 Spielen in der dritt- und vierthöchsten Spielklasse Englands sind zumindest die Rufe der Gegner leiser geworden.
Dabei wäre die Karriere des Stürmers um ein Haar bereits vorbei gewesen, bevor sie überhaupt angefangen hatte: Mit 18 wurde er beim FC Watford wegen mangelnder Fitness aussortiert und ging zum FK Atlantas in die zweite litauische Liga. Der Schwager seines Beraters war ein Bekannter des dortigen Trainers. Akinfenwa erlebte einen Kulturschock.
„Willst du diese Arschlöcher gewinnen lassen?“
„Ich war der erste dunkelhäutige Spieler in der Liga und einer der wenigen Dunkelhäutigen in der Stadt“, erinnert er sich. Zuschauer begleiteten seine Ballberührungen mit Affenlauten. Als ihn eines Tages ein Mädchen mit dem Hitlergruß auf dem Trainingsgelände begrüßte, packte er seine Koffer und kündigte seinem älteren Bruder an, dass er nun nach Hause kommen werde. Der sagte nur: „Willst du diese Arschlöcher gewinnen lassen oder bleiben und ihnen zeigen, dass sie Idioten sind?“
Worte, die sich Akinfenwa einprägten. Er blieb, schoss Atlantas zum Pokalsieg 2001, der Klub qualifizierte sich erstmals seit 15 Jahren für den UEFA-Cup. Von einem Tag auf den nächsten war er der Publikumsliebling. Er hatte gesiegt und erkannt, dass er aus seiner Rolle als ständig Verspotteter eine Tugend machen muss. Er nennt es: den „Beast Mode“.
„Im ›Beast Mode‹ geht es darum, an sich selbst zu glauben und die Grenzen zu überwinden, die andere einem setzen“, sagt er. Dafür arbeitet er hart. Auf dem Rasen und im Kraftraum. Beim Bankdrücken schiebt er ohne große Mühe 180 Kilo in die Luft – also zweimal Mario Gomez. Oder dreimal Marko Marin.
Mittlerweile inszeniert er sich und seinen Lifestyle auf allen Kanälen, lädt Trainingsvideos direkt von der Hantelbank ins Netz, twittert Fotos, auf denen er und seine Muskelfreunde sich ihre T‑Shirts zerreißen. Darauf steht: „Beast Mode“ – er vertreibt sie selbst. Journalisten begrüßt er gerne mit dem Satz: „Keine falschen Fragen, sonst werfe ich dich aus dem Fenster.“ Doch dann muss er lachen, denn trotz des Schutzmantels aus Muskeln, trotz der ganzen Tough-Guy-Aura, die ihn umweht, ist Akinfenwa ein großes Kind geblieben. Er lacht gerne und nimmt sich selbst nicht allzu ernst. So wurde er in England zur Kultfigur. Zum Relegationsspiel für die dritte Liga im Wembleystadion, bei dem er mit Northampton Town knapp an Bradford City scheiterte, trugen tausende Fans sein T‑Shirt mit dem „Beast Mode“-Schriftzug.
„Ich hatte vergessen, dass ich Fußballer bin“
„Die Stunden im Kraftraum sind für mich Endorphin-Sessions“, sagt er und weiß, dass ein natürlicher Hormonrausch ihm auch den Blick für das Wesentliche vernebeln kann. „Als ich mit dem Krafttraining anfing, stellte ich meine Ernährung um. Ich wurde fett, und es war mir egal. Ich hatte vergessen, dass ich hauptberuflich Fußballer bin.“ Seine fußballerischen Qualitäten sind ohnehin bestenfalls simpel. Vor seinem mächtigen Oberkörper wirkt der Ball wie eine Murmel, er pflügt mehr über den Rasen, als dass er läuft. Man nennt diesen Spielertypus gerne Kraftpaket, doch Akinfenwa ist mehr: Er ist eine Dampframme. Dass er es überhaupt zum Profi geschafft hat, zeigt, wie weit man mit bloßem Willen – und einem starken Körper – kommen kann. Ob er sich vorstellen könne, in der Premier League zu spielen? „Natürlich! Ein Typ wie Emile Heskey war doch auch Nationalspieler“, sagt er.
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Doch der Weg dorthin ist weit. Im Sommer wurde sein Vertrag in Northampton nicht verlängert. Dass er tatsächlich in seinem Karriereherbst mit 31 Jahren in der ersten Liga landen wird, gilt als ausgeschlossen. Doch Akinfenwa weiß: „Die Menschen versuchen immer, einander in Schubladen zu stecken.“ Für ihn müssten sie dann aber eine ziemlich große Schublade bauen.
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